DER SPIEGEL KRIEG

Michael Ortiz Hill

Ich hatte mich daran gewoehnt, dass Bush immer wieder das Wort boese („evil‰) benutzte und wurde erst dann richtig aufmerksam, als er im letzten Fruehjahr der Nation mitteilte, „Der Boese („evil one‰) ist unter uns‰. Jeder der ein wenig von der religioesen Welt in der Bush lebt versteht, weiss, dass er damit den Antichristen gemeint hat. Die Implikationen die das hat sind mehr als ernst zu nehmen und trotzdem fast nie im oeffentlichen Diskurs erwaehnt. Am Vorabend eines toerichten Krieges hat der Oberbefehlshaber des einflussreichsten Militaers der Menschheitsgeschichte die amerikanische Aussenpolitik in einen biblischen Kontext gestellt, der uns unaufhaltsam in Richtung Megiddo fuehrt, ungefaehr fuenfundfuenfzig Meilen nordwestlich von Jerusalem: den Kampf des Armageddon. Zwei wesentliche Fragen, obwohl sie vielleicht unverschaemt sind, muessen unbedingt gestellt werden: Mr. Praesident, ist es wahr, dass sie als wiedergeborener Christ die heutige Zeit als die Endzeit betrachten, wie in der Bibel prophezeit? Inwiefern praegt ihr apokalyptisches religioeses Verstaendnis die amerikanische Politik im Nahen Osten?

Es gibt viele Seiten des fundamentalistischen Denkens bezueglich der Endzeit, wie zum Beispiel die Konversion der Juden, damit sie noch vor dem Weltuntergang ihrem wirklichen Retter begegnen. In seiner politischen Autobiographie A Charge to Keep gibt Bush sein evangelistisches Denken ganz offen zu. In Bezug auf seine Pilgerfahrt zum Heiligen Land, beschreibt er sein Erlebnis bei der Taufe „eines juedischen Freundes‰ im Galilaeischen Meer, wo ihm die Hymne einfiel:

Die Zeit ist nah
Lange prophezeit
Wenn alle miteinander verweilen
Ein Hirte und eine Herde
Jude und Nichtjude versammeln sich
Aus vielen fernen Laendern kommen sie
Und sie verbeugen sich vor dem einen Herrn.

Ich weiss natuerlich nicht ob der Praesident Hal Lindsey gelesen hat, aber vieles was er sagt hoert sich ganz so an. Lindsey‚s Buch, The Late Great Planet Earth, ist wohl einer der einflussreichsten Texte, die das fundamentalistische Denken in Bezug auf apokolyptische Fragen gepraegt hat. Von geopolitischen Phantasien des Kalten Krieges beeinflusst, schreibt er, „Das Armageddon beginnt mit dem Einmarsch der Araber und der Russischen Konfoederation in Israel. Der prompten Verwuestung folgt eine der intensivsten Perioden der Juedischen Bekehrung zum wahren Messias.‰ Mir waer‚s lieber zu wissen, dass Bush nicht Lindsey‚s Plan im Sinn hat, aber man weiss es halt nicht. Die systematische Alienation von unseren Arabischen Alliierten (bis Israel unsere einzige Verbindung zum Nahen Osten ist) sollte einen sehr beunruhigen.

Lindsey‚s Buch beeinflusste nicht nur die amerikanische fundamentalistische Kultur, sondern praegte auch das fundamentalistische Denken der apokalyptischen Weltanschauung des Islams. David Cook, der amerikanische Experte auf dem Gebiet der islamischen apokalyptischen Literatur, weist darauf hin, dass sich diesbezueglich im Denken der Mohammedaner Jahunderte lang, eigentlich bis Ende der achtziger Jahre, nicht viel veraendert hat, jedoch, „Der heutige Moslem glaubt, dass die gegenwaertige Welt vom christlichen Millenialismus auf den Kopf gestellt wurde. ...Um sich dagegen zu schuetzen, machen mehr und mehr Moslems Gebrauch von der Bibel so wie Hal Lindsey. Es gibt Islamische Interpretationen der Buecher Ezechiel, Daniel und der Offenbarung. Der einzige Untershied ist, dass die Guten nicht die Christen sondern die Moslems sind.‰ Diese sonderbare Vermischung der Kulturen hat eine Situation herbeigefuehrt, in der unsere gegenwaertige Administration dem radikalen Islam zustimmt und glaubt, dass Frieden erst dann eintritt, wenn das Boese im apokalyptischen Kampf besiegt wurde. Beide Parteien singen dasselbe Lied: Gott wird unseren Kriegern zum Sieg ueber das Boese verhelfen.

Dies ist ein ausserordentlich kritischer Moment in unserer Geschichte. Als Bush in Deutschland fuer den Einmarsch in Irak Unterstuetzung suchte, ist durch die Stabschefs des Pentagons ihr einstimmiger Widerstand durchgesickert. Erst kuerzlich deklarierte der erfahrene Staatsmann Brent Scowcroft, dass Bush‚ Plan „ein Armageddon im Nahen Osten‰ ausloesen koennte.

Es sieht so aus als waeren die Kommentare von Scowcroft und anderen republikanischen Aussenpolitikern eine grob koordinierte Bemuehung,‰ berichtete die New York Times. Was die innenpolitische Auseinandersetzung betrifft, scheinen das Pentagon und bedeutende Persoenlichkeiten der republikanischen Partei damit beschaeftigt zu sein, einen ausser Kontrolle gratenen Praesidenten zu bremsen, bevor es dazu kommt, dass amerikanische Maenner und Frauen in „body bags‰ (tot) daheim ankommen.

An der aussenpolitischen Front muss die U.S. sich mit dem einheitlichen Widerstand der europaeischen Alliierten und der absoluten Opposition der arabischen Welt (Kuwait und die irakischen Kurden, die unter Saddam Hussein so sehr gelitten haben, eingeschlossen) auseinanderstetzen. Die religioesen Untermauerungen des Krieges gegen das Boese und die absolute Theologie, die Bush mit dem radikalen Islam teilt und vertritt, sind ganz offensichtlich. Beide betrachten die Kriege, die wir vielleicht erleben muessen als heilig, gut und notwending. Es ist mehr als klar, dass wir ganz wach sein und dafuer sorgen muessen, dass die Leidenschaften der christlichen und islamischen Radikalen nicht ueberhandnehmen.

Michael Ortiz Hill ist Autor der zwei Buecher Dreaming the End of the World, Spring Publication, 1994, und Gathering in the Names [with Augustine Kandemwa], Spring Publication, September 2002. Er lebt mit seiner Frau Deena Metzger in Kalifornien.